Wieder mehr Kunst: Noch bis zum 27. Juni kann die Ausstellung von Ugo Dossi, „Zeichen und Wunder“ besucht werden. Bis vor Kurzem ruhte sie wegen der Maßnahmen zum Schutz der Bevölkerung seit dem 7. April im Staatlichen Museum Ägyptischer Kunst, prächtig und verschlossen wie in einer Grabkammer. Die Verborgenheit gerade an diesem Ort konnte man fast wie eine Würdigung empfinden. Das ist ja der Wert des Schatzes, seine Verborgenheit.
Ugo Dossi begründete 1996 die erste Künstlergemeinschaft im Kunstpark Ost
Ugo Dossi ist ein Künstler, ein Jäger und Seher des verborgenen Schatzes. Dabei versenkt er auch gern selber. Sich und andere. Der Schatz liegt im dialektischen Moment der Transzendenz: Der Blick in die Tiefe der Materie und der Zeit wird zur Fackel im eigenen Kopf und erleuchtet die immateriellen Schätze, sowohl des Künstlers als auch der Betrachter.
Dossi ist Mitglied der Ateliergemeinschaft im WERK3 des Werksviertel-Mitte. 1996 hatte er in den ersten Monaten des entstehenden Kunstpark Osts den Anstoß zu einer stationären, große Kunsthalle auf dem Gelände gegeben, der whiteBOX. 2013, als die Pläne zum neuen WERK3 auf den Weg gebracht wurden, wünschte man sich auf dem geplanten Platz auf der sudwestlichen Seite des dann fünfstöckigen Gebäudes eine Arbeit von ihm, eingelassen in das Pflaster des Knödelplatzes, wie er dann heißen sollte. Schon letzten Sommer konnte man von umgebenden Gebäuden, das Dossi-Signet, das heraldische Wappen mit den sieben Kreisen aus seiner Reihe der 22 Arkana des Tarots von oben betrachten können, während die Bands vom „Sommer in der Stadt 2020“ aufspielten. Darauf können wir uns nun auch heuer wieder freuen.
Die Philosophen der Semiotik, Saussure und Barthes behaupten vor 100 Jahren dass die Welt sich in ihren Zeichen selbst denkt
Doch werfen wir noch einen Blick in die Ausstellung „Zeichen und Wunder“, die nun bis zum 27. Juni besucht werden kann. Die neuen Reihen „Stärkende Zeichen“ und „Calix“ sind umgeben von „klassischen“ Dossis der kosmischen Geburten neben der ruhenden Schönheit Nefertitis, dazwischen weitere Zeichenbilder, meditative Neufindungen, von der ägyptischen Schrift inspiriert.
Dossi findet „Stärkende Zeichen“, die er „Rebis“ nennt, die zwiefache Sache.
Für den Kenner alchemistischen Denkens vom mythischen Hermes Trismegistos bis zu Marsilio Ficino, dem Neuplatoniker der Renaissance, geht es um den Weg zu „Rebis“, (lat:res bina), zur Synthese im Magnum Opus. Diese zwiefache Sache ist entscheidend mehr als die Zwei, welche in der Kabbalistik die Welt in ihrer Erscheinung (Abbild, Simulacrum) repräsentiert. In der Drei ist Rebis die Wiederkehr der Eins, als erkannte, eigentliche Welt.
Das mythologische Rebis lebt heute fort in der kosmologischen Debatte von Geist und Gehirn, die aus Konsequenzen der Quanteninfomation entwickelt wurde. „Wir…stehen am Ende einer Entwicklungslinie der Ausdifferenzierung der Protyposis, die man als Weltsubstrat – eine abstrakte Quanteninformation – ansehen kann, die in uns Menschen schließlich dazu kommt, über sich selbst nachzudenken. (Thomas und Brigitte Görnitz „Der kreative Kosmos“ Geist und Materie aus Quanteninformation)
In den perfekt ausgependelten Arbeiten entsteht die Schönheit des Geistigen
Dossis „Stärkende Zeichen“ auf weißem Büttenpapier sind neugefundene Glyphen, empfunden aus und nach der ägyptischen Sprache. Sie konstellieren sich in der ägyptischen Manier der phonetischen, bildlichen und abstrakten Determinierungen, sie durchdringen sich, überlagern sich. Sie addieren sich aber nicht zu alphabetischer, rationaler Begrifflichkeit. Sie sind in ihrer sinnlich glänzenden Schlichtheit und Unbedingtheit, perfekt ausgependelt, ganz vom Geistigen geführt.
Die ästhetische Macht dieser Bilder ist in Schlichtheit, mehr noch: an Schönheit gewonnen. Hier wird Schönheit selbst Träger des Geistigen, von ihm durchleuchtet. Die Arbeiten haben ein Charisma, eine Qualität der Revelation, die nur intuitiv erfahrbar ist, aber nicht ausbuchstabiert werden kann. Eine Qualität, die nicht in Quantität umcodiert, digitalisiert werden kann. Eine Qualität, die nicht mehr auf Quantität zurückgeführt werden kann.
Diese Ausstellung ist gemacht für uns alle, die wir uns danach sehnen, die statistischen Plaques, das Zittern der Kurven aus den Echokammern unserer verantwortungs-trainierten Bürgerhirne hinauswerfen zu können.
Zeichen & Wunder, Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, noch bis zum 27. Juni 2021.
Zeichen & Wunder, Staatliches Museum Ägyptischer Kunst, noch bis zum 27. Juni 2021.