Die stabilste Liebesbeziehung mag die zwischen Idol und Fan sein. Und einseitig genug für langes Währen ist sie auch. Eine Stabilität, die sich erneut erweisen wird, wenn Gil Ofarim am 3. März im Technikum „Alles auf Hoffnung“ (VÖ 28.2.20) setzen wird. Als der Bärtige im Februar 2018, 37jährig, mit „Twenty Years“ im Technikum antrat, waren die treuen Schäflein sofort zur Stelle, mittlerweile waren die Zahnspangen extrahiert. Der Graben vor der Bühne war voll mit Regenbogen-Kameras und Gil konnte eindrucksvoll unter Beweis stellen, dass er wieder aufgestanden war, nach mehreren schweren Breitseiten.
Das Leben hatte ihm die letzten zwei Jahre schwere Breitseiten verpaßt
Und wie er das nun alles so verarbeitet hat, das läßt sich jetzt ausgiebig mitleidend erleben, nachdem mit „Alles auf Hoffnung“ die erste komplett deutschsprachige CD seiner Laufbahn erschienen ist. Er hat sich für den von den Weltläuften durchgeschüttelten Pop-Rock-Poeten entschieden. Und wer die Regenbogenpresse liest, die den Sänger aus dem Bravo-Stall nach wie vor auf Schritt und Tritt begleitet, kann sich von Schicksalsschlägen überzeugen, die schwerer gar nicht sein können. Tod des Vaters, Trennung von Frau Verena, Streit wegen der beiden Kinder. On the right track for learning the blues, würde Frankieboy singen. Leider ist das ja so: die mediale Heldenverehrung der amerikanischen Art muss es sein, immer noch. Die größte Verehrung erfährt der gescheiterte Held, von General Custer bis Elvis oder Rock Hudson.
In der Produktion, im Studio hat er sich gefangen
Ein bisschen umwölkt vom Schicksal erlebten schon letztes Jahr die Fans ihren Gil, das konnte man dem Storytelling von Instagram schon entnehmen. Und dann soll er auch noch Händchen mit einer Blonden gehalten haben, die sich als seine langjährige Fotografin Ina Bohnsack herausstellte! Tja, we are still living in Bravoland. Aber Gil wird sich gut schlagen. Obwohl er schon früh in den goldenen Käfig der Idolatrie gesteckt wurde – der 15jährige versetzte mit Round `N Round (it Goes) bereits asiatische Girlies in Schüttelkrampfanfälle – hat er schon vor zwei Jahren bei „20 Years“ Standfestigkeit und Eigensinn bewiesen. Er ist the Man in the Mirror, nicht nur bei seiner fabelhaften Version des berühmten Songs: Er hat auch tief in den Spiegel geschaut, und sich erkannt. Er ist der, der er ist.
Autor: Michael Wüst