Als am 12. Januar Martina Taubenberger das whiteBOX-Programm 2018 vorstellte, war noch nicht die Rede davon gewesen, was dieser Tage als ein außergewöhnlicher Event des Jahres zu vermelden ist. Die whiteBOX ist Spielort der diesjährigen Münchener Biennale, die vom 2. bis 12. Juni an den verschiedensten Plätzen von der Muffathalle, dem Marstall, dem Carl-Orff-Saal bis hin zum Schwere Reiter, dem Öffentlichen Raum und Münchner Privatwohnungen stattfindet.
Das Festival beginnt mit der Uraufführung von zwei Stücken am 2. Juni. Eines davon, in der whiteBOX, ist „Skull ark, upturned with no mast“ von Clara Jannotta und wird bis zum 9. Juni mehrfach wiederaufgenommen (siehe link unten).
Clara Jannotta studierte an den Konservatorien von Mailand und Paris, am IRCAM und an der Harvard University bei Alessandro Solbiati, Frédéric Durieux, and Chaya Czernowin. Ihr Ansatz ist betont theatral, sie beschreibt ihre Musik eher in Choreografien als in musikalischen Terminologien. Zum Motto der seit 2016 amtierenden Doppelspitze, bestehend aus Daniel Ott und Manos Tsangaris in der Nachfolge von Peter Ruzicka „Privatsache / Private Matter“ hat sie sich eine skurrile Dramatik des Privaten ausgesucht. Die aktuell mit dem Siemens-Förderpreis ausgezeichnete Clara Iannotta stellt, wie auf der Festival-Website zu lesen ist, zwei Garnelen in den Mittelpunkt, die als Larven in einen Gieskannenschwamm gespült wurden und so aufwuchsen und glücklich und mit allem versorgt so lebten, aber von der Außenwelt abgeschlossen waren.
Glücklich. Vielleicht wäre das ja auch ein Ansatz für Chris Dercon mit „Glückliche Tage“ von Samuel Beckett an der Volksbühne Berlin gewesen. Der kleine, leicht privat eingefügte Scherz, mag verdeutlichen von welchen Irritationen unsere Gesellschaft immer noch, oder auch wieder betroffen ist, wenn wir die Differenz zwischen privat und öffentlich bestimmen sollen. Oder wenn wir in der Tradition des 68er-Bekenntnis, dass alles Private politisch ist, uns heute fragen, was an unseren Daten noch uns selbst gehört.
Die „Politik der ersten Person“, die eine Trennungslinie zwischen privat und öffentlich negierte, war Teil einer Bewegung, die wesentlich zur Gleichberechtigung der Frau beigetragen hat, eines der wenigen wirklich greifbaren Ergebnisse der 68er-Epoche, die heuer ihr 50jähriges Jubiläum hat. In (glücklicher?) digitaler Entkörperlichung stellen wir uns also heute die Frage, gehören meine Daten mir? Daten, die Energiequelle der Zukunft nach dem Erdöl, die heimliche Währung?
Weitere Infos zur Münchener Biennale in der whiteBOX: http://www.whitebox.art/projekte/musiktheater-biennale/