Was macht man, wenn das Bekenntnis zum Punk schon Züge der verhassten Komfortzone trägt? Man kann es machen wie Pascow, die am Ostermontag, 22.April, der feierlich-betroffenen Stimmung dieser Tage im knallvollen Technikum ein Ende ihrer Art setzten.
Die Band um Alex Pascow hat mit ihrer neuen CD „Jade“ nämlich etwas geschafft, das im Kaffeesatz der versammelten Punk-Exegeten nicht zu sehen war: Nach „Diene Der Party“ (2014) konnten sie ihren vorderen Platz als innovative Band, die gleichwohl ihre Wurzeln im Punkrock nicht verraten hat, eindrucksvoll verteidigen.
Zunächst kamen aber Scherben aus Krefeld/Düsseldorf auf die Bühne. Vor der Bühne saß eine kleine Irokesen-Gruppe vor zählbaren Bieren am Boden, dahinter füllte sich gemächlich der Laden der Fans in abgehalfterter Indie-Sportswear. Die Jungs aus Krefeld freuten sich so unbändig vor Pascow ihren politischen Punk präsentieren zu dürfen. Zwischen zwei Testakkorden und Steckergefummel, kam sehr beifällig, praktisch grußlos: „Hallo München.“
Am 1. Mai sind sie übrigens beim „Bratwurst essen gegen rechts“ definitiv nicht dabei, dafür dann wieder in der Brause, Düsseldorf, im Vereinsheim des Metzgerei Schnitzel e.V. , ebenso wie beim „Bierschinken eats FZW“ in Dortmund. Nirgendwo Feine Sahne Fischfilet. Bei „Schützengraben“, „Krieg“ und „Alter Punk“ reißt´s dann die Iro-Fraktion aus dem Schneidersitz und mit parasitären Auf-die-Glocke-Geraden poged man sich ein. Scherben machen ihren Job wunderbar, wer BLUT HIRN SCHRANKE oder Affenmesserkampf mag, der war hier richtig. „Deutschland ist Scheiße, nicht nur am Samstag, wo kleingeistige spießige Wutbürger ihre Traditionen und Rituale pflegen. Mögen sie tot über ihren Gartenzaun hängen.“
Als Pascow nach dem Klavier-Intro „Prolog“, das wie eine Schrecksekunde des Kultivierten die Fans erstarren ließ, losballerte, brodelte sofort der Bereich vor der Bühne, abgewetzte Turnschuhe an nackten Waden („aus abgehalfterten Wellnessbereichen“, Scherben) staken in die Luft, gelegentlich flog ein voller Pappbecher, heftige Knüffe von rechts außen brachten ältere tote Hosen links aussen ins Wanken. Man kennt das von dem schönen Versuch im Deutschen Museum mit den Kugeln, die sich immer nur aussen wegklicken. Umfallen konnte ja keiner mehr. Wenn es danach geht, hat Pascow nun wirklich keine Komfortzone des Punk betreten und das obwohl sie mit den neuen Songs – man traut sich kaum – artifizieller und auf keinen Fall „arty farty“ geworden sind. Ausgeschlafener. Und kalt ausgeschlafener Hass kommt auch aus von der bemerkenswerten Song-Lyrik. Das sind so gesehen keine beiwerkende „lyrics“, sondern das ist eigenständige Lyrik.
„Silberblick und Scherenhände“ arbeitet sich in der schneidenden Dichte eines scharf geschliffenen Shredders durch den Raum, es ist, als würde man durch einen überdimensionalen Eierschneider fallen und in Scheiben unten ankommen – naja: wenn Platz zum Umfallen gewesen wäre. Hart gut das Ganze!
Und für alle Fans von Richard Nixon Discopistole (2002) bis Diene Deine Party (2014) gilt nach wie vor: beste „kryptische Scheiße“
Text & Bilder: Michael Wüst