Wer am Donnerstag, 14. März, seine Zeit im WERK7 theater bei „Minutemade“ „angelegt“ hatte, der hatte wieder einmal etwas gewonnen: Eine gewisse Seligkeit, ein Glücksgefühl, das er oder sie mitnehmen konnte. Eine Verbindung zu einem wunderbaren, vergangenen Moment, die nicht abriss.
„Minutemade, die wöchentliche Dancesoap des Gärtnerplatztheater“ wurde 2013 von Ballettdirektor Karl Alfred Schreiner gegründet. Seitdem entwickeln internationale Choreografie-Teams 20- bis 40-minütige Aufführungen als Folgen einer getanzten Erzählung in Fortsetzung mit bis zu 20 Tänzern der Gärtnerplatz-Kompagnie.
Gerade die Zeit, in der wir uns durch unser Leben und Denken bewegen, wird hier mit Respekt behandelt. Sie ist kein Abgrund, in dem wir uns verlieren. Sie geht an uns vorbei und entsteht hinter uns neu. Die Zeit vergeht nicht, wir vergehen und entstehen.
Und so sitzt diesmal seitlich in der Galerie über den Alltäglichkeiten der Tod mit einem auf das T-Shirt aufgemalten Skelett zu den Klängen einer gedehnten, melancholischen Gitarrenmusik. Der Tod macht die Musik. Unten palavern die Leute lautlos angeregt, deuten ein paar schicke Moves an. Ein flaches Leben endet dann auch ganz undramatisch auf dem Boden der Lebensbühne.
Der Tod spielt die Musik. Zu neuen Grooves reorganisiert sich: das Leben kommt aus dem Tod.
Sie formieren sich zügig alle auf allen Vieren zu einem Keil, die Atmung bahnt sich ihren Weg in die Körper, bäumt den Rücken auf und lässt ihn wieder einfallen. Der Keil, das Körper-Dreieck, wischt rasch und bestimmt über den Boden.
Alles, was da kreucht und fleucht. Es ist ein Anlauf in das Leben. Vor dem Ausgang ins Leben auf der entgegengesetzten Seite der Bühne, richten alle sich auf und laufen rückwärts mit in der Luft flirrenden Armen zurück. Eine neue Abteilung formiert sich. Zunehmend aufgeregter, die Ordnung gerät durcheinander, die Produktion des Lebens überfordert das Individuum, der Odem ist fast zu stark. In der pränatalen Genesis schüttelt es die Körper, die sich ausbildenden Nervenbahnen senden Schockwellen. Die zukünftige Population übt wie in Übersprungshandlungen Begegnungen ihrer unfertigen Individuen. Man schlägt versehentlich die Beine über die Beine des Nebenwesens, doch wieder und wieder wird der Ausgang erreicht. Zurück mit dem Flirren der Arme. Es erinnert an die Hochzeit der fliegenden Ameisen, denen einmal im Jahr Flügel wachsen, um einen Partner zu finden. Silbern schillernde Flügel auf der schwarzen Erde.
Das Gewimmel ordnet sich wieder und die Kreuchenden der Zukunft blicken Richtung Publikum. Sie sehen uns nicht, sie ahnen uns. Adam Lindner und Rafaele Giovanola finden damit in ihrer genialen Choreografie einen gleichwohl genialen Anschlusspunkt für Act II, auf den das begeisterte Publikum gespannt sein dürfte. Da werden dann Rafaele Giovanola und Fabrice Mazliah den Faden aufnehmen und am 21. März im Werk7-Theater nach einer Woche Probenzeit mit diesem fabelhaften Ballett das Leben weiter tanzen. Act III folgt, wiederum eine Woche später, am 28. März.
WERK7 theater erleben – Eventfabrik München (eventfabrik-muenchen.de)
Autor: Michi Wüst