In München steht ein Hofbräuhaus. Und im Werksviertel-Mitte die Destille für den besten London Dry Gin der Münchner Art. Mit Cosmic Spirits hat der multi-kreative Sebastian Rauscher edelste Geister und Brände hier in einem 20 Quadratmeter Container um sich und seine Potstill-Brennanlage herum versammelt.
Im Moment steht die Brennerei noch auf dem symbolischen Kraftzentrum des Hauptplatzes Werksviertel-Mitte, dem zentral-magischen Siegel des Künstlers Ugo Dossi, das als Mosaik in den Pflastersteinboden eingelassen wurde. Es zeigt einen einen Kreis, eine Schale, umgeben von sechs kleineren Kreisen, für Münchner und Werksviertler als Abstraktion nur interpretierbar als die eines weiteren Kraftzentrums des bayrischen Alltags: des Knödels. Einmal wird Sebastian Rauscher also mit seinem Container noch etwas rücken müssen, wenn der Hauptplatz sich ganz entfaltet, aber seine Heimat hat er gefunden, das ist fix.
Cosmic Spirits, eine Münchner Brennerei, die es braucht
Zuvor, 2017, war es für Sebastian Rauscher ein aufregendes Auf und Ab gewesen: Bei der Spirituosenmesse 089 auf der Praterinsel hatte er mit seinem ersten London Dry Gin zwar bereits stark beeindruckt – ein Jahr später wurde dieser dann Harry Blue genannte Gin vom Verband „Bayern Brand“ sogar mit Gold prämiert – andererseits drohte seiner Destille die Obdachlosigkeit, das Optimolgelände stand ja nun zum Abriss. Freunden des Werksviertels und guten Kontakten vor Ort war es dann zu verdanken, dass sich für Rauscher übergangslos ein Container auf dem Nachbargelände fand.
Gin wird nicht geshaked, Gin wird dekoriert mit Botanicals in asiatischer Kunstfertigkeit
Woher kommt eigentlich dieser Gin-Hype? Ursprünglich als ein eher primitiver farbloser Korn mit deftigem Wacholder- und Korianderaroma, war zunächst der holländische Genever im 17. Jahrhundert auf die britischen Inseln gekommen. Knapp hundert Jahre später war der erste Gordon, ein dreifach gebrannter harter Klarer, von der Navy nicht mehr wegzudenken und erreichte kreuzend durch die seven seas Asien, die Südsee, Indien, Polynesien und Afrika: London Gin war überall in einem Reich, in dem die Sonne nie unterging – mit Tonic Water wirksam gegen Malaria und andere Tropenkrankheiten.
Im Lauf der Zeit verfeinerte sich das kraftvolle Lebenswasser unter dem Einfluß der Kräuter und Düfte Asiens. Man muss nur mal ins Gin City, Luftlinie 50 Meter von Rauschers Destillery gehen und sich die wunderschönen Kreationen von Gin Long Drinks mit frischen Botanicals und Dutzenden verschiedener Tonics und Lemonades anschauen. Die filigranen Kompositionen und ihre geruchlichen (olfaktorischen) Welten vermitteln den Zauber Asiens.
Der Brenner Rauscher hat eine spannende Biografie. Der Handwerker ist ein Künstler
Sebastian Rauscher hat in vielerlei Hinsicht ein feines Händchen. Der hochbegabte Grafiker und Maler von poppig surrealistischen Szenen, die unbedingt ausgestellt werden müssen, hat überhaupt eine spannende Biografie. Nach dem Abitur und einer Schreinerlehre studierte er Innenarchitektur, war Projektleiter im Messebau und konzipierte Asia Restaurants und Einkaufscenter.
Schon in seinem zweiten Atelier in der Kellerstraße begann er sich mit Fermentationen und Mazerationen zu beschäftigen. Er setzte sein eigenes Sauerkraut an und entdeckte das scharfe koreanische Elixier Kimchi – er las sich ein: Kräuterkunde, Symphatien und Asymphatien in der Pflanzenwelt, flavourisieren, beduften, Kräuterauzüge…und plötzlich da war nur noch ein kleiner Schritt zu dem Spiritus Rex in dem ganzen Komplex der vegetabilen Köstlichkeiten, dem Schnaps. Dem Lebenswasser, das schon Alchemisten herstellten, und der heutigen professionellen Destillery.
Das Herzstück der Destillery ist die Potstill-Anlage. Klein und für reinste Finesse
Für die Herstellung seiner Elixiere entschloss sich Rauscher für die Potstill-Anlage, eine kleine, handliche Destille mit dem Kupferkessel für kleinere „Batches“ (Auflage, Serie eines Produkts). Diese Anlage wurde für feinen schottischen Malt-Whisky entwickelt und gilt als Voraussetzung für saubere, abgerundete Schnäpse mit einem Alkoholgehalt von mindestens 37,5 Volumenprozent in dreifacher Brennung, wie dies die EU-Verordnung von 2008 für London Dry Gin fordert. Rauschers goldprämierter Harry Blue liegt mit 44% in der Königsklasse der London Dry Gins und ist ein Renner im Gin City und wird auch in der neuen Bar des Gambino-Hotels „Mariss“ schnell einen prominenten Platz einnehmen.
Reinheit und damit Verträglichkeit dieses Gins und anderer Brände, die Rauscher ständig neu entwickelt, hängen von der Ausscheidung des Methylalkoholanteils im Vorlauf und der Reinigung von Fuselstoffen in mehreren Brandvorgängen ab. Das Kupfer des Kessels und die gleichmässige Befeuerung der Potstill-Anlage spielen eine große Rolle bei der vorsichtigen Beduftung des Schnapses mit den verschiedenen Botanicals, die sich nicht in einen „Aufguss“ vermischen sollen, sondern ihrer Eigenart nach, sozusagen einzeln ihren Eingang finden sollen in den Geist. Derer sind es beim Harry Blue 18 an der Zahl. In der Vollmundigkeit spürt man heraus Holunderblüte, Kardamom, Angelikawurzel, Arionabeeren, Pfeffer, Orangenzeste und natürlich Wacholder und man trinkt ihn gerne nur mit zwei Eiswürfeln oder nur einem kleinen Schuss Tonic.
Für seine Gin-Kreation „Sakura“ importiert Rauscher die Botanicals, die dunkel und kühl in einem extra Kräuterlager fermentieren, aus Japan. Kirschblüte und Kirschblatt, mit Salz konserviert, werden kombiniert mit der Zitrusfrucht Yuzu, geschmacklich zwischen Mandarine und Bitterorange, und dem Bergpfeffer Sansho.
„7 Sailors“ ist ein unfiltrierter London Dry Gin Navy Strength mit mächtigen 57 Prozent. Unter der klaren Stärke dieses London Gins weben holzige Aromen der Chinarinde und der Zeder, gestützt von der Süße von Feigen. Die Kombination aus dunkler Fruchtigkeit und starker Klarheit empfiehlt den 7 Sailors für einen „Highball“ mit einem Spritzer Sodawasser.
Absinth, das lasterhafte Getränk, der Wahnsinn der 1920er Jahre ist ein total verträumter Genuss
Ebenfalls goldprämiert ist Rauschers „Absinth Smaragd“, das in München erste und einzige destillierte, legendäre Getränk mit dem Thujon-Gehalt. Rauscher zeigt uns das klassische französische Trinkritual: aus einer „Absinth-Fontäne“ mit Eiswasser träufelt etwa im Verhältnis 1:1 das Eiswasser in den grün opaken Absinth – wenn man will über einen speziellen Löffel mit etwas Zucker.
Man hebt das Glas zur Nase, zieht sich das Bouquet von Kräutern, Anis und Fenchel rein und entschwebt auf den Montmartre der 1920 Jahre und ahnt die Kraft impressionistischer Farben unter einem ersten glimmenden Schleier ersten Schlucke. Nein, eigentlich sind das Einatmungen! Wunderbar! Wir müssen unbedingt wiederkommen! Nein, es gibt noch so viel über das wir nachtrinken und nachträumen können. Mit Harry Blue als betüdelte Sahibs in weißen Breeches auf den Spuren Rudyard Kiplings oder Sommerset Maughams durch Benares oder Lahore.
Und ein anderes Mal auf Mandarinenwolken, in Himbeerhimmeln unbedingt auch zu den Obstbränden, über die wir noch gar nicht gesprochen haben! Besuchen Sie deshalb auch die Website! Kommen Sie zu einer Probeträumerei! Auf der privaten Seite von Sebastian Rauscher gibt es Kunstwerke des genialen, inspirierten Handwerkers mit denen man auch abheben kann!
Autor: Michael Wüst