„Wir machen Musik“, kaum ein anderer Titel repräsentiert besser das Überleben der Musik in finsteren Zeiten. Das Überleben eben auch mithilfe der Musik.
Der gleichnamige Revuefilm von Helmut Käutner kam im Berliner Marmorhaus am 8. Oktober 1942 zur Uraufführung. Peter Igelhoff, der Komponist, hatte es pfiffig verstanden mit „stark rhythmisierter“ deutscher Musik, wie die Reichsfilmkammer attestierte, einen weißen Swing zu schreiben, der arisch genug schien, dass er die Berliner in den ersten Bombennächten ablenken durfte. Die liebenswürdige Story und die Leichtigkeit der Regie von Helmut Käutner in Verbindung mit einer umwerfenden Ilse Werner verhalfen dem Musikfilm zu großen Erfolgen in ganz Europa und zogen noch einige Remakes nach dem Krieg nach sich.
Isabel Flössel (voc), André Haedicke (voc + Regie), Tobias Rüger (sax) und Stanislav Rosenberg (keyboard) versetzen diese Geschichte in die Probensituation einer kleinen Jazzband nach Frankfurt ins Jahr 1933. Ihre kleine Kammerrevue Titel funktioniert im Sinne des großen Vorbilds: Mit Pfiffigkeit und Charme und teilweise anrührenden Momenten.
Aus einem Radio verkündet rollendes Goebbels-R, dass tragbare Fernsprechgeräte ausgeschaltet werden müssen, und die kleine Band beginnt ihre Probe mit dem Titelsong. Anna und Michael, beide bewusst nicht als glamouröse Show-Ikonen angelegt, haben eine nette Choreografie mit knubbeligen Armbewegungen und kleinen Flirts eingeübt, Clemens, der Saxofonist ist verliebt in den rauhen „Growl“ seines Tenors und Boris an den Keyboards ist äußerst seriös mit Halstuch. Alles gut. Es folgen “That´s a plenty“, ein Chicago Dixieland Standard, “Carioca”, “Puttin at the Ritz” und “Undecided”, das auch Ella Fitzgerald gesungen hat. “Hab mich lieb. Sing mit mir” von Franz Grothe, ist von dem einzigen deutschen Vertreter in diesem ersten Swingset. Mit Peter Igelhoff und Peter Kreuder stand Grothe in der „Gottbegnadetenliste“ der Reichsmusikkammer.
Da vermeldet das Radio auf der Bühne die ersten schlechten Nachrichten. Es hat Schluss zu sein mit ausländischen Titeln, zumindest erst einmal für alle, die in die Musikkammer aufgenommen werden wollen. Hektik, die Antragsformulare werden hin und her gerissen und überhaupt, was darf nicht mehr gespielt werden, welche Noten und was ist überhaupt Jazz und was kann man dem Jazz alles wegnehmen und was bleibt dann überhaupt über. Boris doziert über Blue Notes und Synkopen und Clemens liefert ein Klamaukstück am Saxofon ab, „Sax-o-phun“. Mit „Rechts herum, links herum, geradeaus“ von Peter Kreuder probieren die Vier etwas Zackiges mit jovialem deutschen Schmackes. Naja. Etwas ratlos geht´s in die Pause.
Der zweite Teil gehört der Operette. Sehr schön machen sie das. Wer nicht swingen darf, kann gut schmachten. Herrliche Titel aus Léhar-Operetten. “Meine Lippen, sie küssen so heiß“ und noch ein Lippenbekenntnis: „Gern hab ich die Frau´n geküsst“. Isabel Flössel in Zahra Leander-mäßiger Pailletten-Klamotte hat Gold in der Stimme und in der Hüfte und André Haedicke, als Michael immer an die Karriere denkend, hat dank stramm sitzender Hosenträger eine gute Stütze für einen kraftvollen Donaumonarchie-Knödel in der Höhe. Höhepunkt gegen Ende, das wunderschöne „Kauf dir einen bunten Luftballon“ von Michael Jary. Warum Anna das Antragsformular für die Reichsmusikkammer nicht ausfüllen konnte, braucht nicht gesagt werden. Aus dem Überleben mit Musik wurde eine Flucht in den Traum.