Im Gastatelier des WERK 3 waren seit 2019 immer wieder aufregende Arbeiten der Papierkunst zu sehen. Im Rahmen der Reihe BOXenstopp wurde, ermöglicht durch eine Kooperation mit der Berliner Fine Art Manufaktur „d´mage“, auswärtigen Künstlern die Möglichkeit gegeben, in einer circa 10tägigen Residency ihre Papierkunst vor Ort im großen Gastatelier zu entwickeln. Ebenfalls ums Papier geht es diesmal in der parallelen Reihe homegrOWN, in ihrer sechsten Ausgabe nun mit dem Titel „Fall ins Blaue“. Hongyun He, aus den Reihen der whiteBOX-Ateliergemeinschaft, zeigt neun blaue, sehr beherrschte Meditationen auf Xuan-Papier und ein Video, das ihre Innenwelten in die äußere Welt „hinausatmen“ lässt, weil sie es meisterhaft versteht das Licht einzuladen. Die Ausstellung ist bis zum 17. Mai zu sehen.
Aus dem Allgrund des Unbewussten, Erinnerungen eines Prozesses
Das Xuan-Papier ist seidenweich und wenig reißfest. Die Tiefenstruktur dessen, was von den Fasern der Sandelholzrinde im fertigen Material geblieben ist, bietet dem Maler und Zeichner an, dem Schatten des Natürlichen nachzugehen. Der Ausstellung ist ein Satz des großen Philosophen Baruch Spinoza vorangestellt: „Die menschliche Freiheit besteht lediglich darin, dass sich die Menschen ihres Wollens bewusst und der Ursachen, von denen sie bestimmt werden, unbewusst sind.“ Was Spinoza mit diesem Satz angeregt haben mochte, verstärkt sich in der Wechselwirkung mit den Bildern von Hongyun He: Die Freilassung des Unbewussten – aus den Sperren der Begriffe.
Östliche Ahnung von der Einheit der Gegensätze in Meisterschaft
Der Kunst gelingt manchmal und auch nur in Form einer Spur auf einen Prozess hinzuweisen. Die sehr festen Bilder von Hongyun He auf der zarten Vegetabilität des Materials haben etwas von Erinnerungen an solche Momente im Nebel des Lebendigen, wo eine aufscheinende Kante den Moment des Wirklichen zugelassen hatte. Was den blauen Geweben von Hongyun He in jedem Fall geblieben ist, als Zeichen des künstlerischen Prozesses: Das hereinflutende Licht im Gastatelier verfängt sich in den freien, weißen Stellen des Papiers und kommentiert wunderbar den von der Künstlerin festgehaltenen Moment der blauen Erinnerungsstunde – wortlos, sprachlos, lebendig. Hongyun He hat das Licht eingeladen.