Dem Alchemisten Michael Maier (1568-1622) wird der Satz zugeschrieben: „die Landschaft ist der Spiegel der Seele“. Wenn man Lust hat, dem tiefer nachzugehen, durch den Spiegel hindurch zu blicken, würde das heissen, dass die Landschaft selbst eine Erscheinung der menschlichen Seele ist – und nicht Projektionsfläche menschlicher Gefühle. Möglicherweise könnte einen das auf die Spur bringen, beim künstlerischen Prozess das Denkmodell der Reflexion als Krücke im Kreationsvorgang zwischen Welt und Individuum, als ästhetische Prothese aufzugeben. Behaupten wir also, das Psychische lässt sich nicht spiegeln, es durchdringt vielmehr. Manchmal lässt es den Spiegel sogar blind zurück.
Die Kunst ein Seelenabbild?
Die Künstlerin Angela Stauber, Mitglied der Ateliergemeinschaft whiteBOX, wurde erst letztes Jahr, am 26. Juni, mit dem „Kunstpreis Rampe“, gestiftet vom Künstlerbedarf boesner und der whiteBOX, für ihren Kubus „Interna“ ausgezeichnet.
Von 1999-2005 hatte sie in München an der Akademie und in den USA an der Art Academy Cincinnati studiert, erst bei Jerry Zeniuk und mit Diplom als Meisterschülerin dann bei Sean Scully.
In zwei großen Ausstellungen, „Mundus, Mundi“, Neuer Pfaffenhofener Kunstverein (2014) und „Mythos Atelier: Von Spitzweg bis Picasso, von Giacometti bis Naumann“ in der Staatsgalerie Stuttgart (2012/13) treten mit „Innen Raum“ und „Die Transformation der Stadt“ Schwerpunkte im Schaffen von Angela Stauber hervor, die auch für die ausgezeichnete Arbeit „Interna“ auf der Rampe des WERK3 gelten.
Der Raum, die Stadt, die Arbeitswelt.
Transformation der Stadt durch Industrialisierung
Mit dem Einzug der Industrie in Europas Städte im 18. Jahrhundert wird die alte Zünftestadt der Handwerker transformiert. Während mit der Wohnzimmermalerei des Biedermeier noch Seelenbilder harmonischer Erbauung die Wirklichkeit entrückten, verwandelte sich auf den Straßen die Stadt.
Die neue Klasse Mensch der Arbeiter wird förmlich produziert, die Materialien werden hart, es wird laut, es funkt und glüht. Dieser Prozess unterliegt mehreren Schritten und endet irgendwann in den Stahl-Glas-Beton-Passagen des neoliberalen Konsumismus.
Und die Transformation der Städte hinterläßt ihre Spuren in den Körpern. Ein Thema, dem wir schon öfter in der whiteBOX begegneten. So war zum Beispiel „Fleisch und Stein“, ein berühmter Text des Stadtsoziologen und Philosophen Richard Sennett, Namensgeber einer urbanistisch-kritischen Ausstellung in der whiteBOX, ebenso wie in diese Reihe gehörend: „In Transition“.
Soll die Stadt das Seelenbild des modernen Menschen und Urbanität das Schlagwort einer neuen hippen Humanität sein? Angela Stauber geht allerdigs nicht den Weg über den soziologischen oder gesellschaftspolitischen Überbau. Vielleicht sollte man besser sagen: Anbau an der radikal-brutalen Stadtszene.
Urbanistik, so werden die Kanten des sozialen Ungleichgewichts mit dem Baustoff euphemischen Schaums geglättet.
Der Raum der psychischen Stadt
In vielen Skizzen mit Kugelschreiber („Die Vermessung des Raumes“, New York, 2013) oder mit Bleistift (Der flüchtige Moment, Berlin, 2011) hat Angela Stauber mit einer gerade noch gezügelten Wildheit das Gesicht der Stadt verpixelt, verkritzelt, verdeckt und überwuchert. Die Skizzen lesen sich wie elektromagnetischen Einträge rastloser Existenzen.
Ganz anders dagegen die größeren Bilder der Serie „Innen Raum“ (2013, 150 x 130cm, Öl auf Canvas). Es sind Räume eines tiefen Autatmens. Als Vorlage dafür dienten die Räume ihres alten Ateliers in München, gezeigt wurden die Bilder in der Ausstellung „Mythos Atelier“.
Fenster, Tür, Flucht und eine angelehnte Leinwand. Gegenstände und Mauern, die einen Raum in ein Haus oder in eine Straße stellen…Ein Akt der Beobachtung, der Wahrnehmung, der seinen Raumfortschritt dann als Malerei auf dem Bild mit den Mitteln psychischer Konsequenz unternimmt. Der Raum wird, ausgehend von ansehnlichen Nullpunkten in psychischen Schritten weiter vermessen. Man dankt an Else Lasker-Schülers „Helles Schlafen, dunkles Wachen“.
Als neue Arbeiten zeigt Angela Stauber im Atelier einige Blätter, entstanden aus der Auseinandersetzung mit den klebenden Fensterfolien und ihren knallhart strahlenden Farben. Entstanden sind geometrische Stadtanmutungen allerhöchster Eleganz. Bauteile, Prototypen einer losgelösten Eventzukunft.
Wie auf ihrem Kubus „Interna“, der nachts auf- und durchgeleuchtet wird, finden sich zwischen diesen schnittigen Formen, die Figuren, die Menschen der Arbeitswelt mit ihren Schutzhelmen in einer fast seligen Stille, unbefragt, erstarrt, irgendwie erlöst. Sie scheinen nirgendwohin zu blicken. Vielleicht sind diese Blätter aber auch Dokumente einer Urbi- et Orbanistik, eines schicken Zukunftsinteriers ohne Aussenwelt. Irgendwie überreal.
Der sehr gute Katalog „Mundus, mundi“, der noch viele Seiten der Künstlerin zeigt ist bei Angela Stauber unter www.whitebox.art oder auch unter http://www.angelastauber.de/ zu erfragen.
Autor: Michael Wüst