Robert Weissenbacher ist einer der Künstler der Ateliergemeinschaft der whitebox im Werk 3. Zusammen mit Younjin Yi und Sinan von Stietencron teilt er sich dort einen Raum. Die drei gehören zu einer Gruppe von Künstlern, deren Vertrag 2016 mit den städtischen Ateliers der Baumstraße abgelaufen war. Von 32 ausgezogenen Künstlern ging eine Hälfte in die Ateliers der Streitfeldstraße, die andere kam ins Werksviertel.
Die Dynamik der Rotation hat Robert Weissenbacher jedenfalls bestens verarbeitet, scheint es, gutgelaunt empfängt er uns in seinem Atelier mit Blick auf das High-Rise-Gerippe an der Rosenheimer Straße. Ein Puck-Typ, wie aus Shakespeares Sommernachtstraum, hellwach, voller Schalk und Umtriebigkeit. Wir spielen uns die Bälle zu, assoziieren schnell und unfokussiert, Chronologien werden keine eingehalten, es ist ein Vor- und Zurückspringen, Versteckspiel hinter der Mauer der Zeit.
Trotzdem kam es irgendwie auch zu der klassischen Frage: Wie fing es also an mit der Malerei bei dem jetzt 33jährigen? Gar nicht so leicht zu beantworten und angesichts dessen wird man gern die Gründungsgeste in verschiedenen Versionen pflegen, gibt es doch nie eine Ursache für eine Wirkung. Was Weissenbacher einfällt, gilt für viele seiner Generation. Es waren die Comics. Aber was er daraus ableitet ist das eigentlich Interessante. Es geht um die Erzählweise des immer nächsten Bildes.

Sehnsucht! | 2016 | Tempera auf Leinwand | 150 x 120 cm
Das bringt uns zu Degas. Edgar Degas ist beeindruckt von der Fotografie. Das zeigt sich auf seinen wunderbaren Pastellkreiden der Pferderennen. Die Bewegung des schnellen Geschehens, von links nach rechts, ist Ausschnitt, Moment. Ein Pferdekörper rechts in der Zukunft hat teilweise bereits das Bild verlassen. Das Zeitalter der technischen Nervosität kündigt sich an. Was bei Manet sich noch zentral und magisch tief in die Stille der Zeit senkte, ist in Bewegung versetzt. Allein, es bleibt natürlich die Frage, ist es die Zeit selbst oder das Geschehen der Welt, das sich vor ihr abspielt? Meinen wir, die Zeit vergeht, nur weil wir vergehen? Und die Figuren der Comics? Diese Pucks der Moderne in einem Sommernachtstraum des Kapitalismus, die Maskierten, Halbgötter, Titanen in Plastikspinnennetzen und mit grünem Freeze-Gelée bewaffnet und ihre lächerlichen Doubles, ungeschickte Kobolde und Panzerknacker?

Ekstase | 2016 | Tempera auf Leinwand | 140 x 135 cm
Die Maske ist ein Leitmotiv in Weissenbachers Bildern, stets eingebettet in eine vegetabile, sprossende Farbigkeit des aufbrechenden Lebens. Vitalität begegnet einer Verheimlichung. Das gegenüber allem Raisonnement indolente Schöpfungsgebahren der Natur ist konfrontiert mit einem maskierten Beobachter. Und hier erreicht Weissenbacher einen faszinierenden Moment der Betrachtung, denn dieser Maskierte sind wir selbst, die wir vor dem Bild stehen. Das ist psychische Zentralperspektive. Wiederum ein Moment des Stillstands im Weltenraffer. Seelische Zeit. Eine geräuschlose Bewegung, ein unbewegtes Geräusch. Fern der Fetische der Moderne, Nervosität und Technik. Es ist die beunruhigende Ruhe eines Beckmann oder Bacon. Der unvermittelte Zugang über eine Traumtür zu den Rabbits in David Lynch´s „Inland Empire“, der Blick in den schwarzen Spiegel von Jorge Luis Borges. Der Moment, wo dem Betrachter klar wird, was auch für ihn die eigene Person ist: Ein Durchtönen nur hinter einer Maske (per-sonare).

Fallender Hund | 2012 | Tempera auf Leinwand | 195 x 180 cm | Foto: Julia Smirnova
Weissenbacher liebt die Mythologie und die Kunstgeschichte. Während seiner Zeit an der Akademie der Bildenden Künste beschäftigte er sich viel mit der Alten Kunst. Er zeigt seine Fassung des Bethlehemitischen Kindermords von Rubens, die er während des Studiums gemalt hat. Links im Vordergrund steht eine Marvel-artige Figur, über die wir hinweg ins allegorische Geschehen schauen. Hier taucht bereits der Protagonist einer Halbwelt auf, der unsere Skepsis gegenüber der Personifizierung des Abstrakten weckt. Gegenüber der Allegorie eines oftmals staatlich verordneten Vorbilds, bis in die traumatischen Höhen der Nazi-Kunst (siehe z.B. Adolf Zieglers „Die vier Elemente“).
In Weissenbachers rotierender Welt geht es schon eher um die Herstellung der alten Unordnung. Die Maske, der Fetisch, der Mensch-Tierkörper, Totemismus, Synkretismus, die Welt der Halbgötter, der Ogune und Barone in Haiti und Brasilien, das Narrenschiff und das Floß der Medusa. In dieser inoffiziellen Welt der Doubles kennt sich Weissenbacher aus. Wir brauchen diese Welt.