Das Technikum, von außen, leuchtet blau. Heute, am 4. Oktober, ein Himmel für einen aus der neuen Singer/Songwriter-Generation: Niila aus Finnland ist der aufgehende Stern über der Sunrise Avenue. Ein Tänzer unter der Mitternachtssonne. Aber nein, natürlich, es ist ein Himmel für zwei, denn Wincent Weiss aus Eutin in Holstein supported nicht nur, er räumt regelrecht ab, er ist beim Hände-Herzchen wavenden Teenie-Publikum bestens bekannt. Er muss unglaublich süß sein. Büstenhalter flogen (noch?) nicht, wenn, dann wär´s wohl eher ein Teddy-Eisbär.
Mit gerade mal 20 war er 2013 DSDS-Staffel-Teilnehmer und schaffte es unter die letzten 29. Mag ja für die Karriere fast schon besser sein, nicht weiter zu kommen. Mit seiner Single „Musik sein“ gelang ihm kurz darauf der Durchbruch. Außerdem arbeitet er noch als Model. Im Technikum löst er mit diesem Song heftiges Zahnspangen-Geklapper aus. Abbauen mussten er und seine Multi-Instrumentalisten-Crew dann allerdings doch selber, was den versammelten Teenies, die Gelegenheit gab, jeden Handgriff ihres Idols zu bekreischen.
Zeit in der Pause kurz über das Genre nachzudenken. Liedermacher möchte heute keiner mehr genannt werden. Der Begriff Singer/Songwriter scheint manchmal auch nicht mehr gültig für die Nachfahren von Dylan, Cash, Waits oder gar Paolo Nutini. Gerne lockig und mit keckem Mützchen feiern sie das Private zwischen Verliebtsein und Zerrissenheit. Die Industrie schlägt neue Begriffe vor wie „NeueDeutschPoeten“. Wader und Wecker schütteln nur den Kopf. Ein Kreischen weckt uns aber aus dem drögen Sinnen. Niila Arajuuris, der finnische Hipster mit Hut, Bart, Gitarre und wahrscheinlich zerrissener Jeans springt gar nicht melancholisch auf die Bühne und los geht´s mit „Play You“ von der frisch gepressten CD Gratitude. Mit treibendem Gitarrenbeat kommt gleich ein Feeling auf like Ice in a Midnight Sunshine. Es swingt. Niila widmet den Song seinem liebsten Babe, der Gitarre und ihrem G-String.
Ach hätten wir Mädels doch auch so was! Frisch, aufgeweckt, keine Allure, keine Zerissenheits-Nabelschau.
Das ist sicher auch Samu Habers Einfluss von Sunrise Avenue und den vielen Konzerten, wo Niila als Support dieser Mega-Pop-Band vor Tausenden sich sein Understatement erworben hat. Anfangs, bei „Restless Heart“ klang das noch viel introvertierter. Dazu trägt auch der Saxofonist bei. Mit langen Noten wird der Klang gut aufgefüllt und heraus bricht zwischen den Strophen ein explosiver Jazzer mit der Eleganz und Klarheit eines David Sunborn. Ein funkelnder Auftakt, der dann doch mit einem klassischen Liebesleid-Lied gekontert wird. Mit feiner Picking Guitar kehrt Niila seine Stimme in ein brüchiges Inneres bei „Don´t Love Nobody (but you)“. Ganz klassisch also doch.
Aber der Abend wechselt weiter in den Stilistiken. „Sail My Way“ generiert im Intro Highlander-Feeling und der Refrain „Say that you sail my Way“ lässt einen an die Zeit wavender Feuerzeuge beim „Sailing“ von Rod Stewart erinnern. Aber die Smartphones im Video-Modus können das auch.
Genre-Diskussionen mögen ja sein. Aber manchmal kann man sich nur damit begnügen ganz einfach zu bekennen: Gute Musik und für die Älteren, kommen Sie gut durch die Nacht!