Kunst ist Teil der DNA des neuen Werksviertels am Ostbahnhof. Mit der neuen Ateliergemeinschaft und der whiteBOX als Nucleus und Motor für die hiesige Kunstszene will man im Werksviertel vor allem eines erreichen: Aus dem Unfertigen heraus genreübergreifend vollkommen Neues zu schaffen. Jetzt wurden von Geschäftsführerin Dr. Martina Taubenberger die ersten Projekte vorgestellt
Schon im Kunstpark Ost und in der Kultfabrik zeigte sich, dass sich die alte Infrastruktur der Fabrik als verblüffend geeignet erwies, über die soziale Integrationskraft der Handwerker und Händler ein nahezu autarkes Wirtschafts- und Kunstbiotop zu etablieren. Ein Aspekt, der überdeckt vom Partylärm, oft nicht wahrgenommen wurde, bestanden doch auch zu Zeiten der Kultfabrik die vermieteten Flächen zu fast zwei Dritteln in Gewerbe- Sozial- und Kulturnutzungen. Auf dem Gelände gab es Kombinationen, Passagen und Wege, die kein Architekt, der ernst genommen werden wollte, je hätte vorschlagen können: Die Tabledance-Bar neben dem Schreiner, das Fotostudio neben dem Imbiss, das Theater neben dem Repair Café, das Atelier über der Rave-Location, der Rechtsanwalt neben dem Hard Rock-Proberaum. Wenn Architekten gerne schematisieren und zwischen Leben, Arbeiten und Wohnen unterscheiden, so schien das für das Gelände am Ostbahn nie so recht zu gelten. Stattdessen definierte es sich in einem Begriff allein: Leben.
Die neue whiteBOX im Werksviertel will dieses Lebensgefühl bestärken und beleben. Die angedachte kreative Sozialität zeigt sich schon in der Symbolik des Logos der Austellungshalle. Der sich entfaltende Raum, visualisiert durch einen sich aufklappende Würfel, zeigt Fehlkanten, Inversionen und verspricht, neu zusammengesetzt, jedes Mal eine neue Form aufzuwerfen. Gewolltes Schöpfungsrisiko eben.
Kulturmanagerin Dr. Martina Taubenberger wurde vor knapp zwei Jahren von Werner Eckart beauftragt, ein neues kulturelles Zentrum mit einem Nucleus whiteBOX auf der Grundlage gewachsener Strukturen, der „soziokulturellen DNA des Geländes“, wie sie sagt, zu entwickeln.
Feste Ateliers für 22 Künstlerinnen und Künstler sind bereits vermietet. Auch die neuen Ateliers werden privat von der Familie Eckart subventioniert werden, so wie es bereits in den Zeiten des wilden Partygetümmels geschehen war.
Dr Taubenberger – Spherical Image – RICOH THETA
Unter den Künstlern finden sich auch wieder der Initiator der alten whiteBOX Ugo Dossi und der Münchner Professor für Bildhauerei Olaf Metzel. Wie grundsätzlich in allen Fragen, repräsentiert auch die Mischung dieser Ateliergemeinschaft aus alten Hasen des Geländes und neuen Künstlern das Credo Werner Eckarts, das Gewachsene mit dem Neuen verbinden zu wollen. Programmstrukturen und Inhalte der Kunst im Werksviertel orientierten sich für Taubenberger daher auch zunächst an der Betrachtung dessen, was prägend bereits vorhanden gewesen ist: Street Art, Urban Art, Popkultur jeder Art.
Neu hinzukommen sollen die Einflüsse der digitalen Start-up-Szene des Werk 1 und im Vorgriff auf einen künftigen neuen Konzertsaal, Musikgenres aller Art, wie eben auch die E-Musik. All das auf dem Grundriss des alten architektonischen Skeletts der Pfanni-Werke entwickeln und organischer Bestandteil des Werksviertels werden.
In diesem Sinne betrachtet Martina Taubenberger die ersten fünf Veranstaltungen, beginnend mit dem Performance-Parcour zur Eröffnung am 28. und 29. Mai, als Testlauf, Entfaltungen aus dem Unfertigen zu provozieren. Anti-museal gilt es, Teilhabe am Prozess der Kunstentwicklung anzubieten.
Was wird geboten?
Am 28. und 29. Mai eröffnet die whiteBOX mit dem Performance-Parcour „Püree-Linie“ des Produktionsbüros MILK unter Leitung der Kuratorin Cagla Ilk. Architektin und Kuratorin Cagla Ilk, die bisher zwischen dem Maxim Gorki-Theater in Berlin und Istanbul pendelte, inszeniert dabei mit Schauspielern Stationen einer Performance auf Basis von Recherchen, die sie seit April über das Gelände geführt hat. Ein neues Theaterformat auf der Basis von Kunst, Urbanistik und Architektur.
Am 3. Juni findet in der TonHalle das Jugendorchester „Auftakt“ des O/MODƏRNT Kammerorkestars mit Dirigent David Lundblad und den Solisten Hugo Ticciati (Violine)und Evelyn Glennie (Percussion) statt. In der Produktion „Mindstream“, einer Begegnung Alter und Neuer Musik soll der Eröffnungsmoment gefeiert werden. Eine Kooperation mit „Jeunesses Musicales“. Schirmherr ist Mariss Jansons, der Chefdirigent des Symphonieorchesters des Bayerischen Rundfunks.
Vom 8. bis zum 12. Juni geht es dann in die neue whiteBOX. „Space Unfolding“ ist eine Raum-Klang-Installation. Das Vokalensemble der Trondheim Voices aus Norwegen erabeitet in öffentlichen Proben mit dem Sound Designer Asle Karstad und dem Lichtkünstler Kurt Laurenz Theinert eine synästhetisch Raumauffaltung der weißen Box mit öffentlichem Konzert am Abschlusstag.
„Everything is a Remix“, vom 1. Juli bis zum 7. August in der whiteBOX trägt dem großen Themenkomplex Rechnung, wie sehr die digitale Welt die analoge beeinflusst und verformt. Der Mannheimer Medienkünstler und VJ Benjamin Jantzen erforscht in seinen audiovisuellen Performances Fragen der künstlerischen Urheberschaft. Grenzbestimmungen des individuellen künstlerischen Werkgehalts sind spätestens seit den Zitierungen der Hip Hop Hooklines heftig diskutiert. Digitale Operationen und Figurationen im „subnuklearen“ Bereich des geschützten Individual-Werks, verunsichern und eröffnen neue Perspektiven.
19. und 20 August: Zum Abschluss der ersten fünfteiligen whiteBOX-Reihe kommt Loomit, der Gründervater der Graffiti-Szene und sozusagen Curator in Residence seit den Tagen des Kunstpark Ost mit „STRAIGHT OUTTA WHITEBOX“ zum Zug. Zusammen mit dem Hip Hop Dancer Miguel Sozinho werden am ersten Tag Dokumentarfilme der Tanzstile B-Boying, Locking, Popping und Voguing gezeigt. Tags darauf geht dann die „Street Life Block Party“ auf dem Freigelände vor dem Technikum ab. Es darf gefeiert werden!
Dach WERK3 – Spherical Image – RICOH THETA
Weiterführende Informationen: